Das Bruttoinlandsprodukt ist eine der wichtigsten Kennzahlen für die Wirtschaft eines Landes. Du findest hier im Blogbeitrag nicht nur eine Erklärung wofür das Bruttoinlandsprodukt (BIP) steht, sondern vor allem auch, warum ich der Meinung bin, dass der „Wohlstandsindikator“ BIP völlig veraltet ist und wir da neu denken müssen.
Was erwartet dich:
Eine Erklärung: Was ist das BIP überhaupt?
BIP steht für das Bruttoinlandsprodukt und gibt den Gesamtwert aller Güter (Waren und Dienstleistungen) an, die innerhalb eines Jahres innerhalb der Landesgrenzen einer Volkswirtschaft wie z.B. Österreich hergestellt wurden und dem Endverbrauch dienen.
Aktuell ist es immer noch so, dass das BIP als Maß für die wirtschaftliche Leistung einer Wirtschaft gilt. Das bedeutet, verändert sich das BIP positiv, dann wird das als Wirtschaftswachstum gemessen und ist damit die wohl wichtigste Größe der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. In vielen Köpfen ist noch das alte Denken drin: „Geht es der Wirtschaft gut, geht es auch der Gesellschaft gut.“
Schließlich brauchen wir ja Wirtschaftswachstum, damit es uns gut gehen kann.
Aber tun wir das wirklich?
Jetzt sag ich (und ganz viele Wissenschaftler:innen & Ökonom:innen): „Was für ein kompletter Blödsinn.“
Denn weißt du, was das große Problem dahinter ist? ALLE Ausgaben, auch Sanierungskosten nach Umweltkatastrophen und Krankheitskosten, erhöhen das BIP. Nicht bezahlte Leistungen, wie z.B. Care- und Hausarbeit sind gar nicht enthalten.
Ein Beispiel zum Nachdenken
Jetzt ein ganz banales Beispiel, was diesen Missstand vielleicht etwas deutlicher macht.
Angenommen du hast dich in die Arbeit gehetzt und hast unglücklicherweise auf der Autobahn einen Autounfall. Dein Auto ist ein Totalschaden und muss in die Werkstatt. Dir ist Gott sei Dank nichts schlimmes passiert, aber um die Verspannungen vom Aufprall loszuwerden musst du jetzt eine Zeit lang in Physiotherapie gehen.
So… all das ist großartig fürs BIP, denn Einsatzkräfte mussten den Unfallort absichern, du brauchst einen Abschleppdienst der dein Auto in die Werkstatt bringt. Die Werkstatt muss für die Reparatur des Totalschadens bezahlt werden, Ersatzteile müssen bestellt werden und um den Globus geschickt. Die Arzt- & Physiokosten, damit du deine Verspannungen los wirst kommen auch noch dazu – ach schön… das BIP wächst und wächst. Rein volkswirtschaftlich heißt es jetzt… „Toll, geht es der Wirtschaft gut, geht es auch uns Menschen gut.“
Fühlst du dich denn nach diesem Autounfall wirklich gut, reicher oder wohlhabender?
Ja es mag sein, dass dieser Unfall für die Wirtschaft „gut“ war, aber ein Indikator für Wohlstand und Glück ist das für mich nicht (wie z.B. als Vergleich der Gross National Happiness Index).
Umgekehrtes Szenario…
Statt mit dem Auto täglich im Stau zu stehen, gehst du lieber zu Fuß zum Bahnhof. So machst du jeden Tag Bewegung, bist an der frischen Luft und kannst deinen Kopf auslüften. Die Chance, dass du einen Autounfall baust, ist deutlich geringer. Du brauchst keine Autowerkstatt, keine Physio (weil du ja sowieso regelmäßig Bewegung machst), hast weniger Kosten, und noch vieles mehr…
Guess what… Nichts davon, lässt das BIP wachsen. Die Schlussfolgerung für einen Volkswirten wäre daher: „Ohje uns geht es schlecht, denn die Wirtschaft wächst ja nicht.“
Jetzt frage ich dich… Was meinst du? In welchem Szenario geht es uns als Mensch wohl besser? Hetzend auf der Autobahn einen Unfall bauen oder zu Fuß unterwegs, vielleicht langsamer aber dafür langfristig gesünder & glücklicher?
Also ich weiß für mich selbst ziemlich genau, was mir lieber ist und mehr auf mein „Wohlstandskonto“ einzahlt.
Das war nur ein einziges Beispiel, das zeigen soll, dass wir uns nicht mehr nur auf das BIP als Kennzahl konzentrieren sollten.
Gibt es Alternativen zum BIP?
Falls du dich jetzt fragst, ob es bereits Alternativen zum BIP gibt. Ja da gibt es schon ganz viele neue Denkansätze. Buthan – ein kleines Land in der Himalaya-Region in Südasien – misst z.B. bereits den Glücksindex. Ein kleines Land in der Himalaya-Region in Südasien hat es verstanden und möchte zum glücklichsten Land der Welt werden. So kurios es klingen mag, das Bruttonationalglück ist für die bhutanische Regierung ein Hauptfaktor für Entscheidungen und Planungen.
Es gibt z.B. auch den Social Progress Index-Wert (SPI). Dieser misst in 53 nicht-ökonomischen Kennzahlen den sozialen Fortschritt eines Staates.
Anderes Beispiel: In Japan werden immaterieller Wohlstand und materieller Wohlstand gemessen. Eine schon ältere Befragung (aus dem Jahr 2012) hat damals gezeigt, dass vor mehr als 30 Jahren die beiden Werte noch gleich auf waren, heute ist für 65 % der immaterielle Wert wichtiger. (Diese Zahlen habe ich aus FH-Vorlesungsunterlagen des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung, aber leider kann ich keine Online-Quelle mehr dazu finden.)
Es gibt viele unterschiedliche Indikatoren, die die Qualität einer Volkswirtschaft ausdrücken können wie z.B. Anzahl der Ärzte pro 100.000 Menschen, Korruptionsindex, Anteil an erneuerbarer Energie, Frauenquoten in Führungspositionen, etc.
Was ich damit sagen will, es darf nicht nur das BIP alleine relevant sein.
Was bedeutet diese Erkenntnis für dich als Investor*in?
Ähnlich ist es auch beim nachhaltigen Investieren. Als nachhaltige Investorin schaust du (hoffentlich) nicht mehr nur darauf, wie viel Gewinn ein Unternehmen macht. Denn viele weitere Indikatoren werden in Zukunft eine immer größere Rolle spielen:
- Wie werden die Mitarbeiter:innen im Unternehmen behandelt?
- Gibt es Fälle von Korruption?
- Welche Vorfälle von Menschenrechtsverletzungen oder Kinderarbeit gibt es entlang der Wertschöpfungskette?
- Wie viel Schaden richtet das Unternehmen in der Umwelt an?
- Wie gut bereitet sich das Unternehmen auf die Herausforderungen der Zukunft vor?
- Und noch vieles mehr.
Ich bin überzeugt davon, Wohlstand muss von Wachstum entkoppelt werden.
Was hat diese Erkenntnis für mich persönlich damals bedeutet hat…
Lange Zeit war es für mich auch ein Zeichen von Wohlstand, wenn ich mir viele Dinge kaufen konnte, viele Reisen unternahm, mir ständig neue Kleidung kaufte, möglichst viel unterwegs war und mir immer wieder mal einen „Luxus“ gegönnt habe. Dieses Denken nach „höher, schneller, weiter“ wird uns ja auch tagtäglich vermittelt.
Bis ich verstanden habe, dass das die Definition von Wohlstand für die Gesellschaft war, aber nicht für mich individuell.
Am glücklichsten haben mich dann nämlich die Dinge gemacht, die in vielen Fällen gar kein Geld gekostet haben. Dinge die NICHT auf das Bruttoinlandsprodukt eingezahlt haben, aber mich dafür glücklich gemacht haben.
Wie z.B. einfach eine Runde im Wald spazieren gehen zu können. Zeit mit meinem damals noch ganz kleinen Neffen zu verbringen. Die Ernte vom Garten einkochen zu können und eine Freude am Haltbarmachen von Lebensmitteln zu haben. Die Ruhe auf einem Berg genießen zu können, ohne irgendwelche Tourist:innen, die mit der Gondel raufgekommen sind. Und noch so vieles mehr…
All diese Dinge, waren für mich so viel wertvoller…
… als ins nächste Lokal zu hetzen, um dort viel Geld liegen zu lassen.
… zum Flughafen zu hetzen, damit ich in irgendeine neue Stadt fliege, um mir dann in 2-3 Tagen die klassischen Touri Sehenswürdigkeiten anzuschauen (die ich genauso gut googeln hätte können) und dann unausgeschlafen wieder im Büro zu sitzen.
… Geld für unnötigen Kram auszugeben, der dann nach ein paar Wochen irgendwo herum liegt.
… ständig neue Fast Fashion Kleidung zu kaufen und dann trotzdem nie zu wissen, was ich eigentlich anziehen soll.
Fazit zum Schluss
Ja das Bruttoinlandsprodukt war lange Zeit eine wichtige volkswirtschaftliche Kennzahl, aber es ist an der Zeit für Veränderung. Das BIP sollte nicht mehr als einziger Indikator für Wohlstand eines Landes herangezogen werden. Wir müssen dabei über den Tellerrand hinaus blicken. Nur weil wir es immer so gemessen haben, muss das nicht bedeuten, dass es auch für die Zukunft Sinn macht.
Wenn wir in Zukunft die ganzen Schäden der Klimakatastrophen und die Folgen von gesundheitlichen Einschränkungen ausbügeln müssen, dann darf das nicht als Wohlstandgewinn gemessen werden.
Falls du dich dazu mal austauschen magst, sehr sehr gerne. Schreib mir einfach eine Mail und wir quatschen darüber.